Comic Review: Nameless (Cross Cult)

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Comic Review: Nameless (Cross Cult)
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Ein polarisierender Autor war Grant Morrison schon immer gewesen. Ob nun im Mainstream-Comic, wie bspw. bei seinen Arbeiten an Batman (u.a. „Batman: R.I.P.“) oder auch mit eigenen Schöpfungen wie „The Invisibles“ für VertigoMorrison war und ist ein Garant für Diskussionen.

Ein Umstand, der mir nach den ersten Seiten seines nun bei Cross Cult erschienenen Image Comics Titel „Nameless“ mit dem Vorschlaghammer wieder ins Gedächtnis gerufen wurde.

Zusammen mit Zeichner Chris Burnham, der Morrison bereits an der Erfolgsserie „Batman Incorporated“ als Zeichner diente, und Kolorist Nathan Fairbairn, welcher u.a. auch Morrisons und Yanick Paquettes „Wonder Woman: Earth One“ kolorierte, lieferte er mit dieser sechsteiligen Mini-Serie einen Horror-Comic der anderen Art ab. Nichts anderes hätte man wohl erwartet.

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Eine Geschichte über das Ende der Welt beginnt im Idealfall genau mit diesem. Ein übermäßig großer Asteroid namens Xibalba steuert auf die Erde zu und wird diese binnen 33 Tagen treffen und restlos vernichten. Doch handelt es sich bei diesem Himmelskörper nicht einfach nur um einen simplen Steinbrocken, der in Höchstgeschwindigkeit einen planetaren Kollaps auslösen wird, vielmehr gibt die mehrere Kilometer große Rune auf der Asteroidenoberfläche den Anschein, dass hier mehr dahinter stecken könnte.

Eine geheimnisvolle Organisation, die ein besonderes Interesse an Xibalba zu haben scheint, heuert daher den Okkult-Experten Nameless an, der mit einem speziell dafür zusammengestellten Team zur Serenity Base auf den Mond fliegen soll, um von dort aus den Himmelskörper von seiner Flugbahn abzubringen und außerdem zu untersuchen, was es mit Xibalba auf sich hat. Dass sie ab diesem Moment jedoch bereits ein Teil der Katastrophe sein würden, ahnen sie noch nicht.

Grant Morrison macht es den Lesern gewiss nicht einfach, denn „Nameless“ erweist sich als vertrackter Genre-Potpourri, der nicht müde wird, selbst bis zum letzten Panel der letzten Seite Fragezeichen im Verständnis der Leser zu sähen.

Dass Morrison sich selbst als Magier versteht - auch wenn er für diesen Begriff sicherlich eine andere Definition zu bieten hat, als wir Normalsterbliche - wird anhand der okkulten Spielereien in diesem Comic mehr als deutlich, denn sein Fundus an mystischer Literatur und Schriften scheint unerschöpflich.

Eine Anlehnung an den lovecraftschen Cthulhu-Mythos erweist sich dabei sicherlich als gänzlich obligatorisch, wobei es lediglich bei einer Anlehnung der Konzeption bleibt und ein Aufgreifen der dezidierten Thematik nicht erfolgt.

Vielmehr vermischt er Historisches mit Überlieferungen mystischer Geschichten und okkulten Texten: ob nun die Erzählungen der Sumerer zu Nibiru bzw. Marduk - der verschollene Planet, der in der Story eine wichtige Rolle spielt -, die Mythologie der Polynesier und Mayas (Xibalbá) bis hin zu den Schriften von Kenneth Grant und seiner Konzeption der 22 Tunnel von Set oder auch die für die konzeptionelle Panelgestaltung inspirierende Traummaschine von Brion Gysin: die Einflüsse für „Nameless“ gehen offenkundig weit über die reguläre Popkultur hinaus.

Gewiss ist nicht alles davon relevant für das Verständnis der Story, vielmehr nutzt es Morrison als okkultes Namedropping, um seinen visuellen und inhaltlichen Mind-Fuck weiter zu unterfüttern und den Leser aus seiner gewohnten Komfortzone zu locken, was mehr als gelingt.

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Nach Aussagen Morrisons soll sich ursprünglich Zeichner Chris Burnham mit einer Idee für einen Sci-Fi-Horror-Comic mit Monstern an Morrison gewandt haben, wobei beide zusammen folglich das komplexe Comic-Werk geschaffen haben, was mir hier nun vorliegt.

Burnham fungierte daher nicht nur als Zeichner, sondern auch als Co-Autor oder zumindest Ideengeber, was nicht unerwähnt bleiben sollte. Dennoch ist es vor allem der brillante visuelle Aspekt des Comics, der zuerst ins Auge fällt. Chris Burnham hat mit „Nameless“ mitunter eine seiner besten Arbeiten abgeliefert und die Atmosphäre der klaustrophobischen Settings der Handlung meisterhaft eingefangen, was von Nathan Fairbairns schon beinahe bedrohlichen Farben noch untermauert wird.

Mit teils expliziten Bildern und einem nicht unerheblichen Gewaltanteil kann der Comic sogar gelegentlich etwas auf den Magen schlagen, weshalb die 16+ Altersempfehlung des Verlages vollkommen berechtigt ist.

Der Horrortrip des namenlosen Okkult-Experten sucht dieser Tage gewiss seinesgleichen. Cross Cult hat mit der abgeschlossenen Mini-Serie einen inhaltlich qualitativen wie auch intensiven Comic gebracht, der sich beim Leser noch lange Zeit nach dem ersten Lesedurchgang in den verschlungenen Hirnwindungen verstecken wird.

Ein heftiges Erlebnis, denn  „Nameless“ vermag es dem Leser Hirn und Magen gleichzeitig umzudrehen. Eben ein Grant Morrison in Bestform. Pflichtkauf!

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2 Kommentare
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Matt Rolandson
Matt Rolandson
14. August 2018 12:01

Gerade gelesen.
Harter Tobak. Aber cool.
Ich mag GM und hier wieder schöner Horror SiFi.
Gerne mehr und umfänglichere Story.

Lukas
Lukas
26. Dezember 2017 11:54

Schöne Bilder, schöne Atmosphäre - weiter nichts. DIe Story war mir einfach viel zu wirr und unverständlich. Ich hätte es mir gewünscht, daraus eine Reihe zu machen. Das hätte viel Potenzial und Spielraum gelassen, bei den Bilder und den Welten, die im Comic vorkamen.