Resümee 2017: Meine persönlichen Top-10-Comics und Comic-Serien, die 2017 auf jeden Lesestapel gehörten

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Resümee 2017: Meine persönlichen Top-10-Comics und Comic-Serien, die 2017 auf jeden Lesestapel gehörten
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Resümee 2017: Meine persönlichen Top-10-Comics und Comic-Serien, die 2017 auf jeden Lesestapel gehörten

2017 war ein großartiges Jahr. Ich finde, mit solchen Superlativen in Bezug auf das eigene Leben gehen wir in der Regel viel zu zaghaft um. Das mag unserer deutschen Mentalität entsprechen, doch vergisst man dabei meist, das Positive hervorzuheben und neigt dazu, sich von den Schmälerungen des Lebens einnehmen zu lassen. Daher sage ich: 2017 war für mich ein großartiges Jahr, das gewiss auch seine Niederschläge hatte... aber doch so viel mehr Schönes. Also sitze ich hier zum Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertages auf der Couch, schlürfe in der Morgendämmerung und einer wohlig-warmen Zufriedenheit meinen heißen Kaffee, während im Hintergrund das digitale Kaminfeuer knistert (es lebe die Digitalisierung!) und denke darüber nach, wie mein Wort zum Comic-Jahresabschluss aussehen könnte.
In diesem Jahr sind unfassbar viele Comic-Highlights erschienen und das Schlimme daran ist, ich konnte so viele davon noch gar nicht lesen. Den Großteil der von mir gelesenen Comics habe ich im Jahresverlauf versucht mit euch zu teilen und so viel rezensiert, wie mir möglich war... dennoch möchte ich euch ein abschließendes Plädoyer für die vergangenen 12 Monate bieten und in knappen Worten die 10 prägnantesten Titel aufzeigen, die man - meiner Meinung nach - im Jahr 2017 auf dem Schirm gehabt haben sollte. Wohlan, ...

10. Der Unterwasser-Schweißer (Hinstorff Verlag)

Im März diesen Jahres brachte der für Comic-Publikationen eher unscheinbare Hinstorff Verlag die bereits 2012 in den Staaten über Top Shelf Productions veröffentlichte Comic-Story „The Underwater Welder“ (zu Deutsch „Der Unterwasser-Schweißer“) von Jeff Lemire nach Deutschland. Im Comic erzählt die kanadische Autorengröße eine Geschichte über Verlust und Einsamkeit anhand des Jedermanns Jack Joseph, der beruflich als Schweißer tätig ist und selbst Jahre nach dem Tod seines Vaters, den Verlust dessen noch immer nicht verkraften konnte, während das Leben zunehmend an ihm vorbeizieht.
Auf knapp 220 Seiten schreibt und zeichnet Lemire die Story selbst, wie er es bereits bei seinen vorangegangenen Publikationen zu „Essex County“ oder auch dem Vertigo-Hit „Sweet Tooth“ vormachen konnte. Eine emotionale Geschichte in mitreißenden Schwarz-Weiß-Bildern, die dazu noch so erfolgreich war, dass Schauspieler und Regisseur Ryan Gosling sich bereits die Verwertungsrechte für eine Filmumsetzung sicherte.

09. The Old Guard (Splitter Verlag)

In diesem Jahr habe ich vermutlich von keinem Autor mehr Comics gelesen, als von Greg Rucka. Ob nun Panini Comics’ Nachdruck der „Niemandsland“ Saga, in der Rucka in den 1990ern einen erheblichen Anteil der Autorenschaft übernahm, oder seine eindrucksvolle Arbeit an der derzeitigen „Wonder Woman“ Reihe... oder aber auch seine drei Image Comics Publikationen, die gegenwärtig beim Splitter Verlag erscheinen: Greg Rucka wirkt allgegenwärtig. Eine dieser drei zuletzt genannten Titel ist die jüngst mit dem ersten Band erschienene Reihe „The Old Guard“.
Rucka erzählt hierin die actiongeladene Geschichte einer unsterblichen Söldnertruppe, die seit Jahrtausenden aktiv ist und dabei stets ihr Geheimnis zu bewahren versuchte. In einem recht simpel wirkenden Story-Gerüst verwebt Rucka seine interessanten Protagonisten in einen komplexen historischen Kontext und eröffnet sich damit einen schier unerschöpflichen Ideen-Pool, indem er die uns bekannte Historie nach Belieben formen kann. Visuell großartig umgesetzt von Leandro Fernández.

08. Echo (Schreiber & Leser)

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Rachel Rising“ und „Strangers in Paradiese“ Schöpfer Terry Moore hatte zwischen seinen beiden Comic-Highlights noch eine weitere Creator-Owned-Serie, die in diesem Jahr beim Schreiber & Leser Verlag startete: „Echo“. In den USA erschien die mit 30 Ausgaben abgeschlossene Reihe zwischen 2008 und 2011 über Moores eigenes Haus-Label Abstract Studio, wobei über S&L in diesem Jahr die ersten beiden Bände vorgelegt wurden. Ganz in der Tradition der Silver-Age-Marvel-Publikationen erlangt eine unbeteiligte junge Frau durch ein schiefgegangenes Militärexperiment eigenwillige Kräfte und Fähigkeiten, was sie unmittelbar auf die Abschussliste der beteiligten Regierungsbehörde setzt, was wiederum die junge Fotografin und Protagonisten der Story, Julie Martin, zur Flucht zwingt.
Terry Moore erweist sich mit „Echo“ abermals als unglaublich talentierter Story-Teller, der mit einfachen Schwarz-Weiß-Zeichnungen oft deutlich eindrucksvoller erzählt, als aktuelle Superhelden-Künstler in opulenten Splash-Pages. Die bodenständige Sci-Fi-Story thematisiert dabei das Verhältnis von Mensch und Technik und die darin oft verloren gehende Ethik. Ein Highlight für US-Indie-Comic-Fans.

07. Kill or be Killed (Spitter Verlag)

Mit „Kill or be Killed“ startete diesen November Ed Brubakers und Sean Phillips’ neuster Image Comics Streich beim Splitter Verlag. Der begnadete Krimi-Autor liefert hiermit einen intensiven Genre-Mix, über den Studenten Dylan, der scheinbar sein Leben verwirkte und aufgrund eines missglückten Selbstmordversuchs einen Pakt mit einem Dämon schließt, welcher ihn dazu zwingt, einmal im Monat ein Menschenleben zu nehmen. Der Clou dabei: Dylan muss seine Opfer selbst auswählen.
Brubaker entwickelt in gewohnt trockener Erzählweise eine intensive Charakterstudie, welche den Protagonisten in unterschiedlichsten Graustufen darstellt. Visuell eindrucksvoll von Sean Phillips und Elizabeth Breitweiser bebildert, regt das Team nach dem Lesen des ersten Bandes gewiss zu Diskussionen an, denn der Selbstjustiz-Thriller bietet eine Menge Nachhaltigkeit. Band zwei steht bereits für Juli 2018 an.

06. Lazarus (Splitter Verlag)

Wieder Greg Rucka. Zusammen mit Zeichner Michael Lark und Kolorist Santi Arcas erzählt dieser seit einigen Jahren die Sci-Fy-Dystopie-Story „Lazarus“, welche seit Anfang 2016 beim Bielefelder Splitter Verlag erscheint und in diesem Jahr mit Band 4 und 5 fortgesetzt wurde. In einer nicht allzu fernen Zukunft wird das Geschehen der Welt von einer Hand voll Familien gelenkt, die die Gesellschaft unter sich aufgeteilt haben und die Bewohner ihrer jeweiligen Territorien je nach Nutzen in bestimmte Kasten ordneten.
Forever ist der Lazarus der Familie Carlyle, künstlich erschaffen, um als perfekt ausgebildete Kampfmaschine für den Schutz der obersten Familienmitglieder zu agieren. Die hochgelobte Image Comics Reihe von Rucka und Lark schildert ein futuristisches Gesellschaftskonstrukt, samt nicht zufällig fallender Anspielungen auf unsere tatsächliche Gesellschaft,  und erzählt dabei von intensiven und spannenden Familienfehden in bester „Game of Thrones“ Manier. Für mich ein Highlight der aktueller Image Comics Reihen.

05. Saga (Cross Cult)

Brian K. Vaughan zählt mittlerweile gewiss zu den Top-Autoren des US-Comic-Business. Mit Reihen wie „Y: The Last Man“ oder auch „Ex Machina“ arbeitete er sich bis an die Spitze der Szene, um seit einigen Jahren mit seiner Image Comics Reihe „Saga“ einen Preis nach dem anderen abzuräumen. Cross Cult publiziert die Reihe seit 2013 auf Deutsch und ist in diesem Jahr beim mittlerweile siebten Band angekommen. Die von Vaughan und von Zeichnerin Fiona Staples geschaffene Space-Opera trifft gegenwärtig wie kaum eine andere Serie den Nerv der Zeit und arbeitete sich binnen kürzeste Zeit zum größten Image Comics Verkaufshit seit „The Walking Dead“ an die Spitze der Verlagspublikationen.
„Saga“ zählt im Übrigen in den Staaten zu den Paradebeispielen der Serien, deren Paperback-Veröffentlichungen sich deutlich besser verkaufen, als die zuvor veröffentlichten Single Issues. Image Comics Leser kommen an dem Erfolgshit nicht vorbei und ich behaupte immer wieder gern, dass mit „Saga“ aktuelle eine der besten Serien des bisherigen Cross Cult Programms veröffentlicht wird. Mehrere Eisner- und Hugo-Awards dürften dies untermauern.

04. Providence (Panini Comics)

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Alan Moores Affinität zu literarischen Vorlagen ist enorm, dies wissen wir nicht erst seit seinem, von mir sehr geliebten, ersten Output der „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“. Mit der zwölfteiligen Reihe „Providence“, welche in den Staaten über Avatar Press erschien und hier in Deutschland in diesem Jahr von Panini Comics mit dem dritten Paperback zum Abschluss gebracht wurde, engt er das Korsett der Liga, basierend auf unzähligen literarischen Referenzen, ein und entwirft eine Story, die sich in Hülle und Fülle am Werke H.P. Lovecrafts bedient bzw. darauf bezieht.
Robert Black ist ein homosexueller Autor, der im Jahr 1919 als Reporter für den New York Herald tätig ist und etwas Abstand von seiner Karriere bei der Presse sucht, um sein Buchprojekt voranzubringen. Dabei begibt er sich auf eine Recherchereise durch Neuengland und entdeckt eine ihm bisher gänzlich unbekannte Seite des Horrors. Moore kreiert zusammen mit Zeichner Jacen Burrows ein Komplettwerk, das man gut und gern als dezidierte Lovecraft-Fiction betiteln könnte, wobei die beiden zum Ende hin sogar den Bogen zum bereits erschienen und ebenfalls von Moore und Burrows geschaffenen „Neonomicon“ ziehen können. Dabei geht Moore in seiner Aufarbeitung weit über das Maß einer einfachen Hommage hinaus und belebt den Lovecraft-Mythos in eigenen Bildern neu und schafft dabei einen Zugang für Lovecraft-Neulinge und Kenner gleichermaßen. Ein intelligentes und beeindruckendes Werk.

03. Paper Girls (Cross Cult)

Jedes Projekt, dessen sich Brian K. Vaughan nach bzw. abseits von „Saga“ widmen würde, hatte bereits nach dem ersten Gerüchteflüstern das volle Maß der Aufmerksamkeit durch Medien und Fans. Mit den „Paper Girls“ erzählt Vaughan, mit Hilfe von Zeichner Cliff Chiang, die Geschichte einer Gruppe Teenager-Mädchen, die in den 1980ern in ein irrwitziges Abenteuer zwischen Raum und Zeit gezogen werden.
Optisch wunderbar illustriert und inhaltlich auf einem ähnlichen abgedrehten Niveau, wie man es von diesem Gespann erwarten würde, lieferten die ersten beiden der in diesem Jahr bei Cross Cult erschienenen Bände den ultimativen WOW-Effekt, den hochkarätig-einschlagende Serien liefern müssen, um auf lange Sicht erfolgreich zu sein und schnellstmöglich einen verdienten Hype zu generieren. Vaughans und Chiangs Projekt wurde und wird dem Hype mehr als gerecht und unterhält den Leser vom ersten Panel an.

02. Vision (Panini Comics)

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Der aktuelle Batman-Autor Tom King und Zeichner Gabriel Hernández Walta verfrachteten den Androiden der Avengers mit ihrer zwölfteiligen Maxi-Serie „Vision“ in eine amerikanische Vorortwohnsiedlung und setzen dem Superhelden einer neuen Situation aus: dem Familienleben. Was anfänglich nach einer flachen Familienkomödie klingt, entpuppt sich schnell als emotionales und tiefgreifendes Drama im Dunstkreis der bereits von Philip K. Dick thematisierten Frage über den Platz von künstlichen Intelligenzen in unserer Gesellschaft. Was macht einen Menschen zum Menschen und kann auch synthetisches Leben als mit unserem gleichwertig betrachtet werden?
Tom Kings und Gabriel Waltas tieftrauriger Sci-Fi-Thriller wurde in diesem Jahr von Panini Comics mit dem zweiten Band abgeschlossen und gehörte zweifelsohne zu den herausragendsten Superheldenpublikationen der vergangenen Jahre.

01. Nameless (Cross Cult)

Nameless_CrossCult

Grant Morrison meldete sich auf dem deutschsprachigen Parkett in diesem Jahr mit zwei Titeln zurück: zum einen mit der extravaganten Weihnachtsgeschichte „Klaus: Die wahre Geschichte von Santa Claus“ und zum anderen, mit dem deutlich unscheinbarer wirkenden Sci-Fi-Plot „Nameless“. Mit letzterem Output sollte er für mich die intensivste Leseerfahrung der vergangenen 12 Monate erzeugen, denn dieser Comic suchte in diesem Jahr seinesgleichen. Zusammen mit Zeichner Chris Burnham - beide bereits als Team aktiv an „Batman Inc.“ - erzählt Morrison die Geschichte vom namenlosen Okkult-Experten Nameless, der von einer geheimnisvollen Organisation angeheuert wird, um einen auf die Erde zusteuernden Asteroiden aufzuhalten und somit die Apokalypse zu verhindern.
Ein irrer Horror-Trip durch den Verstand, samt unzähliger Referenzen zu okkulter Literatur und Mythologie - einschließlich der obligatorischen Lovecraft-Verweise -, generiert einen beklemmend-klaustrophobischen Comic, der mit jedem Lesedurchgang an Komplexität gewinnt. Chris Burnham visualisierte diesen qualitativen Schrecken in eindrucksvollen Bildern und veredelte für mich somit meinen persönlichen „Comic des Jahres“.

(Das Copyright der Bebilderung liegt bei den jeweiligen Verlagen / manche Besprechungen erfolgten anhand von Rezensionsexemplaren)

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Mike
Mike
9. Januar 2018 13:40

Tolle Liste. Auch, weil ich vieles noch nicht kenne und mal probieren muss! 🙂

Christoph
Christoph
28. Dezember 2017 8:16

Zu meinen Favoriten zählen auch (Neuauflage) Jim Cutlass als GA bei Splitter, sowie der zweite Band von Baltimore bei Cross-Cult von Ausnahmeerzähler (und -zeichner) Mike Mignola. Nicht zu vergessen die Neuauflage von Long John Silver als GA bei Carlsen. Alles tolle und lesenswerte, sowie ansehenswerte Geschichten.

Christoph
Christoph
28. Dezember 2017 22:34
Antwort auf Kommentar von  Christoph

...Providence fand ich im Übrigen auch klasse. Vergessen sollte man auch nicht die Forstsetzung von Nash GA (Finix Verlag) ein Sci-Fi Thriller der besonderen Art :). Eine wirklich tolle Geschichte...