Comic Review: Cassandra Darke (Reprodukt)

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Comic Review: Cassandra Darke (Reprodukt)
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Ihr wisst, ich liebe es in Sachen Comics überrascht zu werden... und wenn dies dann auch noch kurz vor Weihnachten geschieht, suhle ich mich umso mehr in der wohlig warmen Geborgenheit der flimmernden Begeisterung des Unerwarteten.

So erging es mir zumindest in den vergangenen Tagen bei Posy Simmonds‘ (u.a. „Tamara Drewe“, „Gemma Bovery“) neuer Graphic Novel „Cassandra Darke“, welche jüngst über Reprodukt in deutscher Übersetzung erschien.

Als Protagonisten ihrer neuen Geschichte hat sich Simmonds mit der britischen Kunsthändlerin Cassandra Darke einen regelrechten Backstein von Persönlichkeit in die Geschichte gepflanzt, denn die in die Jahre gekommene Galeristen erweist sich gleichermaßen unsympathisch wie nachfühlbar und verschafft dem Comic einen ungeheuren Eigenwillen.

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Darke lebt das Leben der Londoner Kunstgesellschaft in vollen Zügen aus. Missgunst, elitäres Gehabe und Luxus soweit er bezahlbar ist sind an der Tagesordnung, und sie ergießt sich bei all ihrer unreflektierten Melancholie in Oberflächlichkeiten und Status-Symboliken.

Doch als auffliegt, dass sie in der Vergangenheit wissentlich Fälschungen unter die Leute brachte, ändert sich ihr Leben schlagartig. Galerie und Vermögen sind dahin, der Ruf sowieso und die letzten Freunde, die sie vielleicht noch gehabt haben mag, schneiden sie nun ebenfalls.

Doch als sie die mit ihr mehr oder weniger verwandte Aktionskünstlerin Nicki für einige Monate in ihrem Haus beherbergt, soll doch noch einmal alles anders kommen...

Posy Simmonds liefert mit „Cassandra Darke“ ein vielschichtiges wie auch leichtfüßiges Comicwerk ab. Dabei legt sie einen britischen Humor vor, welcher so trocken und gut getimt auf den Leser einprasselt, dass er gelegentlich Assoziationen zu Phoebe Waller-Bridge weckt.

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Der Comic weiß, wann er sich Zeit lassen kann und vertieft sich in genau den richtigen Momenten in langen Gedankenmonologen Darkes, die den von Textpassagen dominierten Comic übersäen.

Generell ist der Comic konzeptionell eher weniger klassisch aufgebaut und reiht keineswegs Panel an Panel. Vielmehr umringt Simmonds ihre romanartigen Texte mit ergänzenden Bildern, die das Erzählte visualisieren. Wie wichtig hier die Kombination aus beidem ist, lässt sich schwer einordnen. Doch es funktioniert ausgesprochen gut.

Simmonds wechselt im Verlauf zudem immer wieder Erzählperspektive und auch -tempo, was ein gelungenes Pacing erzeugt und den Comic äußerst flüssig von der Hand lesen lässt.

Die beschriebenen Anekdoten Darkes und der zynisch-sarkastische Ton der Grumpy Old Lady sind so komisch wie melancholisch und machen die Protagonistin vor allem eines: spürbar menschlich.

Die Geschichte um die Unsympathin unterhält von der ersten Seite an und wächst mit jeder weiteren. Ein idealer Wintercomic für die kalten Tage und die aktuelle Vorweihnachtszeit.

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