Substack: der neue US-Comic-Akteur und sein bitterer Beigeschmack

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Substack: der neue US-Comic-Akteur und sein bitterer Beigeschmack
„Terrorwar“ © Saladin Ahmed & Dave Acosta

Viel Bewegung ist gerade auf dem US-Comicmarkt zu sehen. Über die mittlerweile in den Staaten weit verbreitete Subscription Newsletter Plattform Substack wollen sich viele US-Comickünstler:innen in den kommenden Monaten mit neuen Projekten beweisen und kündigten in großen Zügen Zusammenarbeiten mit der Plattform an.

Bereits im Juni ließ „The Amazing Spider-Man“ Autor Nick Spencer wissen, künftig Comics über Substack vertreiben zu wollen. Nun kündigte in dieser Woche „Batman“ Autor James Tynion IV an, mehrere Projekte über Substack zu realisieren und dafür sogar seinen Exklusivvertrag mit DC Comics auslaufen zu lassen und somit auch seine Autorenschaft an „Batman“ und „The Joker“ aufzugeben, um Kapazitäten für die Digitalprojekte zu haben.

Kaum war der Ball ins Rollen gebracht, schossen andere Kreative nach. Namhafte Künstler:innen wie Jonathan Hickman, Scott Snyder, Ram V, Tini Howard, Al Ewing, Molly Ostertag und auch Saladin Ahmed seien nun ebenfalls Teil der Substack-Maschinerie, welche sich immer mehr Kreative der US-Comicbranche einkaufe, um das eigene Comicsegment zu vergrößern. Erste Projekte wurden ebenfalls bereits angeteast. Der Ball rollte also schon eine ganze Weile, wir wussten nur nicht, dass er da war.

Das Prinzip scheint einleuchtend und auch nachvollziehbar, warum es so attraktiv für viele Künstler:innen ist. Substack arbeitet als meist bezahlpflichtige Subscription Newsletter Plattform, welche die Möglichkeit bietet, digitalen Content an Abonnenten zu verteilen, wobei die Kreativen die Preise für die Subscriptions selbst bestimmen und die Rechte am verbreiteten Material gänzlich bei den Kreativen verbleiben. Substack verdient dabei - wie bspw. auch Patreon - einen Anteil an den Einnahmen durch die bezahlpflichtigen Subscriptions. So heißt es.

Comics werden somit als über Substack gelaunchter digitaler Content per Newsletter an Abonnenten verteilt, vielleicht auch als PDF zum Download, wie Tynion IV in seinem letzten Newsletter (ebenfalls über Substack) bereits verkündete.

Nun ist es jedoch nicht so, dass ausschließlich Comickünstler:innen ihren Content über Substack vertreiben. Die Plattform bietet sich nahezu allen Content-Schaffenden an und immer wieder wurden Stimmen laut, die kritisierten, dass die Plattform ungefiltert Anti-Trans-Themen Raum biete und User das Subscription-Modell ausnutzten, um transfeindlichen Content zu verbreiten und Menschen der LGBTQIA+ Community zu terrorisieren, in dem sie ohne Erlaubnis Kontaktdaten von LGBTQIA+ Aktivist:innen verwendeten, um Substack-Kanäle zu abonnieren, die wiederum transfeindlichen Content verbreiten. Siehe hier, hier, hier oder auch hier. Und diese Kanäle sind reichweitenstark.

Substack selbst scheint damit weniger ein Problem zu haben und weist bisher jegliche Kritik zurück, mit dem Verweis darauf, dass die Plattform den verbreiteten Content nicht redaktionell betreue, lediglich als Tool zur Verbreitung fungiere und somit auch nicht für den verbreiteten Inhalt verantwortlich sei.

So ganz scheint dies jedoch nicht zu stimmen, da Substack exklusive Verträge mit Autor:innen führen soll, um etwaigen Content für die Plattform bereitstellen zu lassen, wodurch Substack die Rolle eines Publishers einnehmen würde und dementsprechend auch verantwortlich für den verbreiteten Inhalt wäre. Und zu diesen vermeintlich gesponserten Kanälen zählen eben auch Kanäle von etwaigen Anti-Trans-Aktivisten.

Das Neutralitätsgebot, das Substack reflexartig bei jeder angesprochenen Kritik nach oben hält, scheint daher äußerst fragil und es stellt sich letztendlich für alle Leser:innen die Frage, wie es zu bewerten ist, dass US-Comickünstler:innen an einer Publishing-Plattform teilhaben, die unreflektiert Geld mit der Verbreitung von Anti-Trans- und anderen Alt-Right-Ideologien verdient.

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TheFaceOfBoe
TheFaceOfBoe
12. August 2021 16:53

Wie viele abonnieren denn bitte einen transfeindlichen „Newsletter“? 😀 Aber ich verstehe die Angst vor Ideen nicht. Sollen die doch ihre schlechten Ideen an den Mann bringen. Ideen sind intellektuell und richten keinen Schaden an. Im Gegenteil: Schlechte Ideen werden aussortiert und gute Ideen bestehen den Test der Zeit. Das ist das Privileg in einer freien Gesellschaft: auch schlechte Ideen äußern zu dürfen bzw. die Freiheit, sich von solchen zu dissoziieren. Wenn Twitter die Freiheit hat, bestimmte Ideologien bevorzugt zu behandeln, darf sich eine andere Plattform dieses Recht auch vorbehalten. Ganz nach dem Motto der freien Marktwirtschaft: „In diesem Geschäft werden keine Personen mit blauen Haaren bedient.“

Blacksmurfy
Blacksmurfy
11. August 2021 12:57

Hi, nennt mich „Oldschool“ aber diese weitere Digitalisierung im Comic Bereich nervt mich zusehends.
Ich versteh schon, das da die Künstler auf dieser Plattform seine Rechte behält, deswegen vermute ich gehen sie da hin.
Für mich ist das leider nix.
Hab es ein paarmal probiert. Aber Comics über einen Bildschirm zu lesen…“bäh“ ich brauch den Geruch von frisch gedrucktem Papier. 😉
Freu mich für jeden dem es so Spaß macht.
Meine Freude ist es durch meinen Keller zu wandern eine Box zu öffnen und die gewünschten Comics zu entnehmen um dann in meinen Sessel in der Mancave zu fallen.
Auch sollten sich die Künstler immer Gedanken machen wo und wie sie ihre Kunst an die Frau/Mann bringen. Nicht alle Zwecke heiligen die Mittel.
Wünsche euch allen viel Spaß bei eurem Lesefutter.

Tim
Tim
12. August 2021 7:13
Antwort auf Kommentar von  Blacksmurfy

Ein 10 Jahre alter comic riecht aber nicht mehr frisch gedruckt.

Tunkster
Tunkster
12. August 2021 21:49
Antwort auf Kommentar von  Blacksmurfy

Ich bin so dermaßen bei Dir! Hab das mit den digitalen Comics ebenfalls getestet und festgestellt, dass es nicht für mich funktioniert.
Ich brauche einfach dieses Zelebrieren des Comic lesens...und liebe ebenfalls den Geruch beim ersten Aufschlagen eines frisch gedruckten Werkes, oder auch den direkten Kontakt zum Künstler, indem ich direkt im Heimatbuchladen des Zeichners oder Autoren bestelle und als Dankeschön Skizzen und Signaturen kostenfrei dazu bekomme. Da lege ich dann gerne die Frachtkosten für ne Sendung aus Janada oben drauf.

Stefan
Stefan
22. August 2021 13:12
Antwort auf Kommentar von  Tunkster

Mein Zelebrieren fängt sogar schon früher an, nämlich mit der Fahrt zum Comicdealer meines Vertrauens. Der kennt schon meinen Geschmack, schlägt mir Comics vor, die ich gar nicht auf dem Schirm hatte, die „Fachgespräche“ kommen noch dazu.

Bendrix
Bendrix
18. August 2021 11:33
Antwort auf Kommentar von  Blacksmurfy

Ihre Recht behalten die Künstle rauch bei zB Image (zumindest Central) oder bei Scout (und bestimmt je nach Deal noch bei anderen Verlage).
Sie gehen zu Substack weil sie dafür bezahlt werden zu Substack zu gehen.